Blockchain: digital, dezentral, disruptiv

Am 3. Januar 2017 feierte Blockchain seinen 8. Geburtstag – an diesem Tag im Jahr 2009 wurde der so genannte Genesis Block oder auch: „Block 0“ generiert. Viel Hype um nichts oder waschechtes Wundermittel für etliche Branchen?

Blockchain ist in aller Munde. Die verhältnismäßig neue Technologie verspricht große Potenziale für Wirtschaft und Gesellschaft: Laut Branchenkennern wird Blockchain zukünftig viele Geschäfts- und Verwaltungsprozesse grundlegend vereinfachen und transparenter gestalten.

Technologiekonzerne und Investoren haben das Thema ebenfalls für sich entdeckt – und setzen weltweit auf den Siegeszug des dezentralisierten Registers. Und auch in der Startup- und Hacker-Szene herrscht Begeisterung, unterstützt doch die Blockchain-Philosophie das Konzept von sich selbst organisierenden Unternehmen, in denen keine Chefs und keine Hierarchien existieren.

HYPE ODER TOP?

Liegen Gründer, Unternehmer und Kapitalgeber richtig mit ihrer Euphorie oder setzen sie auf das zu frühe oder sogar falsche Pferd? Das Marktforschungsinstitut Gartner hat dazu eine klare Prognose gestellt. Und prognostizierte im vergangenen Herbst umwälzende Auswirkungen durch Blockchain – und zwar entlang einer Vielzahl von Industrien und in einem Zeitraum von 5 bis 10 Jahren.

Im gleichen Report, dem bekannten Gartner Hype Cycle for Emerging Technologies, erreicht Blockchain erstmals den so genannten „Peak of Inflated Expectations“. Demnach greifen einige Wenige den Trend produktiv auf, während Anwender und Öffentlichkeit bereits überzogene Erwartungen gegenüber dem Nutzen dieser Technologie haben.

WAS SAGT DIE FORSCHUNG?

Überzogene Erwartungen – das suggeriert ein wenig, dass Anwender und Öffentlichkeit wissen, was Blockchain ist, wie und wofür sie grundlegend eingesetzt werden kann. Doch immer noch fragen sich viele: Was genau ist die Blockchain? Wie funktioniert sie? Ist Blockchain das Gleiche wie Bitcoin? Und welche Auswirkungen hat diese Technologie tatsächlich auf Wirtschaft und Gesellschaft?

Einblicke lieferte das Praxisforum Blockchain, das am 26. Januar 2017 im Rahmen des 7. Cologne IT Summit stattfand – und das ich als Fach-Moderatorin begleitete. 180 Teilnehmer füllten den Merkens-Saal und erhielten versierte Antworten auf ihre Fragen:

In seinem Impulsvortrag schilderte Professor Wolfgang Prinz, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik, kurz: Fraunhofer FIT, auf welchen technischen Grundlagen, Prinzipien und Funktionsweisen Blockchain basiert. Seine Definition: „Eine Blockchain ist eine verteilte dezentrale Datenbank, die Transaktionen für jeden im Netzwerk sichtbar, chronologisch und unveränderbar speichert.“ Auch seine Ausführungen zu den Themen Sicherheit und technisches Ökosystem stießen auf reges Interesse, genau wie seine Tipps für die erfolgreiche Identifizierung möglicher Anwendungsfelder.

AUF DER SUCHE NACH USE CASES

Schon in Vorbereitung auf das Praxis-Forum ließen sich schnell diverse Anwendungsbeispiele in verschiedenen Branchen ausfindig machen:

  • Finanzwesen: Das Konsortium R3 prüft Einsatzmöglichkeiten im Finanzsektor – und versammelt mittlerweile mehr als 40 Mitglieder, u.a. die Deutsche Bank, J. P. Morgan und UBS.
  • Mobilität: Der RWE Innovation Hub hat Blockcharge entwickelt, ein Konzept, das der Elektromobilität einen Schub geben soll.
  • Versicherung: Der Versicherer Allianz Risk Transfer hat ein Pilotprojekt gestartet, in dem die Risiken von Naturkatastrophen über Smart Contracts abgesichert werden.
  • Handel: Ein Startup macht mit Blockchain den Weg von Juwelen erstmals transparent: Von der Mine über Mittelsmänner bis hin zum Point of Sale.

Viele weitere Branchen forschen aktuell aktiv nach Ideen und Möglichkeiten, die Blockchain-Technologie einzusetzen – bevor es andere tun.

TRIPLE-BLICK IN DIE ZUKUNFT

Nahtlos an den Impulsvortrag folgte dann eine Fachdiskussion: Von den Experten Professor Prinz, Stephan Zimprich (Partner der internationalen Anwaltskanzlei Fieldfisher und Leiter der eco-Kompetenzgruppe Blockchain) und Riccardo Sperrle (CIO der Unternehmensgruppe Tengelmann) wurde die Blockchain aus wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und juristischer Sicht unter die Lupe genommen und analysiert.

So wurde zwischen den Experten und unter reger Teilnahme des Publikums diskutiert,

  • ob Blockchain-Geschäftsmodelle tatsächlich den Mittelsmann – Banken, Anwälte, Notare und Co. – obsolet machen werden.
  • welche Anwendungsfelder die Unternehmensgruppe Tengelmann aktuell prüft, bereits realisiert und investiert.
  • welche Vor- und Nachteile Smart Contracts haben (die gar nicht so smart sind, wie es auf den ersten Blick erscheint, sondern aktuell eher mit Scripts vergleichbar sind).
  • welche ethischen Dimensionen zu beachten sind und wie sich diese im Entwicklungsprozess abbilden lassen könnten.
  • welche Vorteile es bietet, wenn auch Politik und Verwaltung selbst fachliches Know-how aufbauen und Blockchain-Technologie bspw. wie der schwedische Staat im Grundbuchamt testen – bis hin zum direkten Immobilienverkauf über ein dezentrales Datensystem.
  • und welche Regulierungs- und Förderbedarfe die Politik nun anpacken muss, um den Blockchain-Standort Deutschland rechtlich abzusichern sowie gleichzeitig zukunftsfähig zu gestalten.

Zum Abschluss eine kurze Leseempfehlung für alle, die sich tiefer in das Thema einlesen wollen: Das Fraunhofer White Paper Blockchain zu Grundlagen, Anwendungen und Potenzialen liefert einen guten Einstieg in die Gesamtthematik.

Digitaler Zettelkasten™

Rechtemanagement, Copyright, faire Vergütung: Auch die Musikindustrie kann sich auf neue Wertschöpfung mittels Blockchain gefasst machen – gut für Künstler, Kreativschaffende und Kunden, herausfordernd für Labels und weitere Intermediäre.


Popkulturelles Kontextwissen

Bereits vor Jahrzehnten haben sich viele Bands in vielen Songs und etlichen Lyrics dem Block gewidmet – mal mehr, mal weniger grenzwertig: Die Propheten von New Kids On The Block erklärten uns bereits 1990 das Blockchain-Prinzip „Step by step“, Sido besang „Mein Block“ in deutlichen Worten und die Briten von Block Party widmeten gleich ihren Band-Namen.
Und hat das allseits beliebte Game Tetris den Block-Gedanken nicht perfekt in seine Spieledynamik inkorporiert? Besonders beliebt – es ist tatsächlich nachlesbar – war das Spiel im Ostblock.